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Ehrenbürgerwürde für Cem Özdemir


Es war ein langer Tag, den Cem Özdemir am Donnerstag zu absolvieren hatte. Neben einem Besuch in seinem alten Kindergarten „Grünes Herz“ stattete Özdemir auch der Realschule einen Besuch ab, wo er 1983 die Mittlere Reife machte.

Und schließlich stellte er sich in seiner Funktion als Bundeslandwirtschaftsminister noch den Fragen einiger Landwirte, die vor der Halle aufgefahren waren. Rund eine viertel Stunde nahm sich Özdemir Zeit, um mit den Landwirten zu reden und ihnen seine Politik zu erläutern. „Man muss halt mit de Leut schwätza. Solange man miteinander redet gibt es immer auch Lösungen“, wie Özdemir die Protestaktion am selben Abend in seiner Rede kommentierte.

Bad Urachs Bürgermeister Elmar Rebmann beleuchtete in seiner Verleihungsrede den beruflichen und politischen Werdegang des 1965 geborenen neuen Ehrenbürgers. Er hob dabei hervor, dass dieser während all der Zeit immer Uracher geblieben sei und stets einen engen Kontakt zu seinen Eltern, zu seinen Freunden und auch zur Stadtverwaltung gepflegt habe. Er sei, so Rebmann, seit mehr als drei Jahrzehnten ein würdiger Botschafter seiner Heimatstadt.

Bereits seit seiner Jugend engagierte sich Özdemir im politischen und sozialen Bereich. Unter anderem setzte er sich schon früh für die Reaktivierung der Ermstalbahn ein. 1994 wurde er als erster türkischstämmiger Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt.

Von 2004 bis 2009 saß der studierte Sozialpädagoge im Europaparlament. Ab 2008 war er zehn Jahre lang Bundesvorsitzender der Grünen. Im Dezember 2021 wurde Özdemir schließlich als Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland.

In dieser Funktion setzt er sich unter anderem auch dafür ein, dass die in Bad Urach erfundene Brezel immaterielles Kulturerbe werden soll. Seine Heimatverbundenheit stellte er nicht zuletzt auch regelmäßig bei den Uracher Schäferläufen und der offiziellen Festrede zum 300-Jahre-Schäferlaufjubiläum 2023 unter Beweis.

Der selbsternannte „anatolische Schwabe“ Özdemir gilt als hervorragender Rhetoriker und ist seit vielen Jahren Vorkämpfer gegen Rassismus, Antisemitismus und Extremismus. Einen besonderen Stellenwert hat hierbei auch seine „Wutrede“, die er im Februar 2018 im Bundestag gehalten hat. In seiner Rede wandte er sich mit aller Deutlichkeit gegen rechten Populismus und Hass. Die Eberhard-Karls-Universität Tübingen zeichnete seinen Beitrag anschließend als „Rede des Jahres“ aus.

Cem Özdemir habe sich, so Rebmann abschließend, somit nicht nur um seine Heimatstadt, sondern auch um die Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht.

Bürgermeister Rebmann überreicht Cem Özdemir die Urkunde

Bürgermeister Elmar Rebmann überreichte Cem Özdemir die offizielle Urkunde seiner Ehrenbürgerschaft. Die Urkunde wurde vom Kalligrafen Bernd Frommann von Hand angefertigt.  

Sehr persönlich wurde es dann bei der Laudatio auf den neuen Ehrenbürger, die von seiner ehemaligen Mentorin und langjährigen Freundin Irmgard Naumann gehalten wurde. Sie gewährte den Zuhörerinnen und Zuhörern einen spannenden Einblick in die Familie von Cem Özdemir, in seinen Freundeskreis und in seine Kindheit und Jugend. Özdemir kommentierte die Laudatio später mit den Worten: „Liebe Irmgard, Du hast in Deiner wunderbaren Rede alles beschrieben, was mich zu dem machte, was ich heute bin!“

Höhepunkt und Abschluss der Naumann’schen Laudatio war sicherlich der Einzug des Fanfarenzuges. Özdemir, so verriet die Bad Uracher Stadträtin, habe als Kind einen großen Traum gehabt: einmal beim Fanfarenzug die Trommel zu schlagen. Dieser Wunsch wurde ihm an diesem Abend erfüllt.

Cem Özdemir schlägt die Trommel beim Bad Uracher FanfarenzugAn diesem Abend erfüllte sich Özdemirs Kindheitswunsch, einmal mit dem Fanfarenzug zu trommeln.

Neben dem Fanfarenzug waren es vor allem die fünf Musikerinnen von „lesRoulettes“ die den Abend mit ihren einfühlsamen Interpretationen von Chansons, Pop- und Folksongs musikalisch bereicherten und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss.

Zum Abschluss trat der Geehrte selbst ans Mikrofon, musste sich zunächst ein paar Momente sammeln und war sichtlich gerührt von der Ehre und den Worten, die ihm an diesem Abend zu Teil wurden. Özdemir bedankte sich bei allen, die ihm in seiner Kindheit und Jugend geholfen und an ihn geglaubt haben. „Ich wurde in den Uracher Wohnzimmern erzogen und gehörte quasi schon zu den Familien meiner Freunde. Wo ist so etwas möglich? Sicher nicht in Berlin, wo man oft seine Nachbarn nicht mal kennt. Aber in Urach. Da war und ist so etwas möglich. Und darauf können wir alle stolz sein“, wie Özdemir betonte.

Sein ganz besonderer Dank ging an seine verstorbenen Eltern, die „sehr fleißig geschafft haben, um mir eine gute Erziehung, eine gute Ausbildung, ein gutes Leben zu ermöglichen!“

Cem Özdemir reiht sich mit seiner Auszeichnung in eine lange Reihe von Ehrenbürgern ein, zu denen beispielsweise der Mitbegründer der Herbstlichen Musiktage Herman Prey, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann oder der frühere Bad Uracher Bürgermeister Fridhardt Pascher gehören.

Blick in die voll besetzte FesthalleRund 400 Gäste, viele davon Freunde von Cem Özdemir, waren am Donnerstag in die Festhalle gekommen.